Sorgerecht ,Umgangsrecht , Beachtung des Kindeswillens

Leider entspricht es fast dem Regelfall, dass sich nach einer Trennung der Partner, gleich ob verheiratet oder nicht, keine Einigung über den Aufenthaltsort der gemeinsamen Kinder bzw. der Art und Ausübung des Umgangs zu den gemeinsamen Kindern finden lässt.

Wechselseitige Anträge auf Ausübung des Umgangsrechts oder Ausschluss des Umgangsrechts als auch wechselseitige Anträge auf Übertragung des Sorgerechts bzw. des Aufenthaltsbestimmungsrechts sind häufig.

Dabei ist es im Regelfall gewünscht und entspricht auch dem Wohl des Kindes, dass Eltern die gemeinsame elterliche Sorge ausüben. Nach der ständigen Rechtsprechung u. a. des Oberlandesgerichts Hamm ist hierfür aber ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen den Eltern erforderlich. 

Die Übertragung des Sorgerechts auf einen Elternteil kommt nur in Betracht, wenn der eine Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht. 

Ist eine Kommunikation oder Kooperation zwischen den Eltern schwierig bzw. unmöglich und kann daher nicht von einem Mindestmaß an Verständigungsmöglichkeit der getrenntlebenden Elternteile ausgegangen werden, ist das Sorgerecht auf einen der Elternteile zu übertragen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob in der Vergangenheit zu Recht Vorwürfe bestanden haben, die es für einen Elternteil unmöglich machen, mit dem anderen Elternteil zu kommunizieren und zu kooperieren. 

OLG Hamm: 

„Wenn angesichts der Entwicklungen in der Vergangenheit die begründete Besorgnis besteht, dass die Eltern auch in Zukunft nicht in der Lage sein werden, ihre Streitigkeiten in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge konstruktiv und ohne gerichtliche Auseinandersetzungen beizulegen, ist eine erzwungene gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht zuträglich.“ 

Ist ein Gericht der Auffassung, dass Eltern auch in der Zukunft nicht in der Lage sein werden, ihre Streitigkeiten in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge konstruktiv und ohne gerichtliche Auseinandersetzung beizulegen, kommt eine gemeinsame elterliche Sorge nicht in Betracht. Das Gericht wägt dann alle maßgeblichen Gesichtspunkte ab und trifft eine Entscheidung, auf welchen Elternteil die elterliche Sorge für das Kind zu übertragen ist, weil dies dem Wohl des Kindes am besten entspricht. 

Maßgebend ist dabei, ob der Elternteil besser in der Lage ist, die Entwicklung und Erziehung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gewährleisten. Maßgebende Kriterien im Rahmen der Kindeswohlentscheidung sind 

  • die Erziehungseignung der Eltern, 
  • die Bindungen des Kindes, 
  • die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität 
  • sowie die Beachtung des Kindeswillens. 

Dabei ist auch der Kindeswille in der Gesamtwürdigung als wichtiger Faktor zu beachten. Der Kindeswille ist einerseits verbaler Ausdruck der Bindungen des Kindes zu den Eltern oder anderen Personen, andererseits aber auch Ausdruck der verfassungsrechtlich zu achtenden Selbstbestimmung des Kindes. Je älter das Kind wird, desto mehr tritt die zweite Funktion in den Vordergrund.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann auch der klar und konstant geäußerte Wille eines fast 12-Jährigen entscheiden. Dabei hat das Gericht auch zu prüfen, ob der Wille tatsächlich frei durch das jeweilige Kind gebildet worden ist oder aufgrund einer Beeinflussung durch einen der Elternteile geäußert wird. Eine derartige Beeinflussung oder Realitätsverdrehung muss allerdings durch das entscheidende Gericht festgestellt werden.

In dem vom OLG Hamm entschiedenen Fall ging es u. a. darum, dass der Vater gegenüber dem Kind damit gedroht hatte, ein für das Kind gekauftes Pony abzuschaffen, wenn das Kind sich nicht darum kümmere. Die Sachverständige hielt dies für eine Beeinflussung, währenddessen das OLG Hamm dies für ein legitimes Erziehungsmittel hielt, um ein Kind zu veranlassen, im kindgerechten Umfangs Verantwortung für das Tier zu übernehmen.

Im Ergebnis wurde trotz einiger Zweifel von einem freien Willen des Kindes ausgegangen und das Sorgerecht für das Kind auf den Vater übertragen. Hier im entscheidenden Fall war es sogar so, dass sich Zweifel an der Bindungstoleranz des Vaters ergeben haben. Der Senat hatte trotzdem, weil er bei beiden Eltern eine eingeschränkte Bindungstoleranz erkannt hatte, auf den konstant geäußerten Willen des Kindes abgestellt, zu jeweils dem anderen Elternteil wechseln zu wollen. Dies war der entscheidende Gesichtspunkt des Urteils. Nach dem Beschluss musste das Kind in den elterlichen Haushalt des Kindesvaters wechseln. Dies, obwohl damit notwendigerweise ein Schulwechsel verbunden war, was den dritten Wechsel innerhalb der Grundschulzeit für das Kind bedeutete. 

Bei der Entscheidung ist der Senat davon ausgegangen, dass der Kindesvater weiterhin den Umgang zu der Kindesmutter gewährleisten würde und formulierte, dass er davon ausginge, dass sich bei dieser Bereitschaft des Kindesvaters nicht um ein „verfahrenstaktisches Lippenbekenntnis“ gehandelt habe.

OLG Hamm Beschluss vom 18.11.2013, 8 UF 169/12

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